Antidiskriminierung und inklusive Praxen in der Philosophie

von Corinne Kaszner und Hannah Peaceman
(zuletzt bearbeitet: März 2024)

Die institutionelle Philosophie in Deutschland ist nach wie vor ein Feld mit (unsichtbaren) Barrieren, die für manche schwieriger zu überwinden sind als für andere. Das bedeutet, dass bestimmte Gruppen wie z.B. Frauen*, BIPoC oder Erstakademiker:innen trotz sehr guter Studien- oder Forschungsleistungen mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben und höhere Hürden überwinden müssen. In der Konsequenz entscheiden sich viele gegen ein Philosophiestudium oder verlassen die Philosophie nach den ersten Qualifikationsstufen. Das Fortbestehen von Barrieren und ausschließenden Praktiken in der Philosophie steht im Widerspruch zu geltenden Verpflichtungen zum Abbau von Diskriminierung und zur Förderung von Inklusivität.

Auch philosophiespezifische Aspekte tragen zur Erzeugung und Verstärkung von Ausschlüssen bei. Die Philosophie orientiert sich, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, in Lehre und Forschung an einem Kanon. Zu diesem zählen fast ausschließlich europäische, nordamerikanische, weiße, christliche und männliche Denker. Das philosophische Arbeiten besteht neben dem intensiven Studium der Texte vor allem aus der Diskussion derselben. „Gerungen“ wird dabei nicht selten um „die Wahrheit in der Sache“, „messerscharfe Argumente“ und die „schlagenden Gründe“. Die Kampfesmetaphorik prägt die akademische Sprache. (Text-)Diskussionen bedürfen nicht nur eines intensiven Studiums, sondern auch eines entsprechenden Habitus, der Durchsetzungsvermögen ausstrahlt. Zuletzt sind das Philosophiestudium und eine akademische Laufbahn in der Philosophie (wenn Letztere überhaupt möglich ist) auch mit materiellen Unsicherheiten verbunden. Befristungen, Lücken in der Finanzierung, persönliche Abhängigkeiten und schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt erschweren Personen ohne finanzielle Absicherung durch die Familie oder durch andere Bezugspersonen eine langfristige Betätigung in der Philosophie.

Die nachfolgende Übersicht dient dazu, Handlungsspielräume und Praktiken, die die Umsetzung von Diversität zu unterstützen vermögen, in unterschiedlichen Feldern der akademischen Philosophie aufzuzeigen. Hierbei verbinden wir die Stärkung des Diskriminierungsschutzes bzw. des Abbaus struktureller Diskriminierung im Hochschulbereich mit Ideen für inklusive Praxen in unterschiedlichen Handlungsfeldern (siehe unten) der akademischen Philosophie. Die Veränderung homogener Institutionen und Fächerkulturen hin zu mehr Diversität und Inklusivität kann durch potenziell alle aktiv Beteiligten, ausgehend von ihren je verfügbaren Zugangs- und Handlungsmöglichkeiten und je nach Statusgruppe in spezifischer Weise, angestoßen werden. Dieser Leitfaden erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er sollte in der Anwendung ergänzt und weiterentwickelt werden.

 

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