Philosophie und Diversität

Selbstverständnis

von Nadja Germann, Corinne Kaszner und Marina Martinez Mateo

Diversität, Vielfalt, Vielstimmigkeit – auch und gerade als Philosoph:innen und Philosophie-Begeisterte halten wir von der Vorstands-AG Philosophie und Diversität Vielfalt für ein Gut. Dabei geht es uns gleichermaßen um die Gegenstände, die erforscht oder gelehrt werden, und die Perspektiven, aus denen heraus dies geschieht, wie auch um die Akteur:innen, die in den Einrichtungen (z.B. an den Universitäten) und Organen (z.B. in Zeitschriften) zu Wort kommen. Das Problem der Diversität betrifft nicht zuletzt die Frage, wie – in welchen Formaten und Räumen – Philosophie betrieben wird: Wie offen oder ausschließend sind diese? Welches Maß an Vielfalt mit Blick auf Themen, Methoden und Beteiligten lassen sie zu?


 Die hier bereitgestellte Sammlung ist als erster Aufschlag zu verstehen und soll kontinuierlich ergänzt und erweitert werden.
 Wir freuen uns über Ihre Hinweise und Ergänzungen an die Sprecherinnen der Vorstands-AG Philosophie und Diversität


Der Befund zum aktuellen Stand der Diversität der Philosophie im deutschsprachigen Raum ist eher ernüchternd. Was Jay L. Garfield und Bryan W. Van Norden 2016 in der New York Times in ihrem Artikel If Philosophy Won’t Diversify, Let’s Call It What It Really Is beklagten, trifft auf die deutschsprachige akademische Philosophie immer noch zu. Von minimalen Verschiebungen abgesehen, ist der Kanon der erforschten und gelehrten Werke nach wie vor männlich und europäisch-nordamerikanisch, überwiegt ab der Promotionsphase – und je weiter fortgeschritten in der Karriere desto mehr – der Anteil an Männern, sind Menschen mit Migrationsgeschichte auf jeder Ebene drastisch unterrepräsentiert, um nur einige der vorherrschenden Ausschlüsse zu nennen. Diese überkommenen Strukturen aufzubrechen und eine offene, diverse, polyphone Philosophie zu etablieren, ist das Ziel unserer Bemühungen.

Eine nachhaltige Verankerung von Diversität in der Philosophie steht im Zeichen einer philosophischen Praxis, die bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten und Ausschlüsse nicht wiederholt, sondern darum bemüht ist, die Philosophie zu einem inklusiveren Ort zu machen, an dem Perspektivenvielfalt in einem anspruchsvollen Sinn stattfinden kann. Dies bedeutet einerseits, dem gesetzlich verordneten Auftrag der Verankerung von Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung an akademischen Einrichtungen nachzukommen. Andererseits erfordert dies, die bereits bestehende Sichtbarkeit unterschiedlichster Perspektiven in der pluralen Gesellschaft auch in der Philosophie abzubilden. Wir verstehen die Philosophie dabei als Analyse- und Interventionsfokus, aber auch als Raum, der die nötigen Ressourcen bietet, diese Fragen zu thematisieren, zu durchdenken und Lösungsansätze zu entwickeln.

Inhaltlich schließen wir an Bestrebungen an, die teilweise schon seit Jahrzehnten, teilweise aber auch erst in jüngerer Zeit die Philosophie als Fach prägen. Die feministische, interkulturelle und globale Philosophie, in jüngerer Zeit auch rassismus- und antisemitismuskritische, anti-ableistische, queere, trans* sowie viele andere philosophische Ansätze haben auf verschiedene Weise Fragen nach Lücken, Ausschlüssen und Kanonisierungsbedingungen aufgeworfen. Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt für unsere Reflexionen sowie Materialsammlungen, die wir auf diesen Seiten aufbauen, zur Diskussion stellen und fortwährend modifizieren und ergänzen. Für Kritik und Anregungen sind wir daher allen Nutzer:innen dieser Seiten sehr dankbar!

 

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